Kreuzritterburgen und Araberfestungen
Eine internationale Expedition nach Syrien
„Allah il akbar…" eine laute Männerstimme sang direkt neben mir einen melodischen Singsang. Langsam kam ich zu mir und meine Gedanken ordneten sich: Orient, Kreuzfahrer, Syrien. Ich wachte auf. Es war 5.00 Uhr. Ich war im Carlton-Hotel in Idlip, einer wohlhabenden Stadt im Nordosten Syriens. Aus den Lautsprechern der benachbarten Moschee hörte man den Morgenruf des Muezzins.
Begonnen hatte die Geschichte aber an einem ganz anderen Ort, der kleinsten Stadt Deutschlands, in Hayingen in der Schwäbischen Alb. Die Burgen-Freunde von der Internet-Seite www.burgenwelt.de hatten eine Exkursion zu den Burgen der Schwäbischen Alb organisiert. Abends saßen wir gemütlich im Biergarten und unterhielten uns über unser gemeinsames Hobby, mittelalterliche Burgen. Jeder berichtete über die schönsten Burgen in Deutschland, Frankreich, Spanien oder anderswo, die er gesehen hatte. Als die schönste Burg überhaupt wurde aber einstimmig der Krak des Chevaliers im heutigen Syrien erwählt, eine gewaltige Kreuzritterburg. Schön, aber unerreichbar, oder doch nicht? Hier kam mir erstmals der Gedanke: Warum soll man nicht auch eine Burgentour nach Syrien organisieren können? Im Herbst 2003 wurden erste Kontakte geknüpft. Sara, diplomierte Arabistin, zu der ich Kontakt fand, reaktivierte ihre Verbindungen nach Syrien. Literatur wurde beschafft, die attraktivsten Besichtigungsziele ausgewählt und der Reiseablauf geplant. Der Flug sollte von Berlin nach Aleppo gehen. Von dort aus konnten per gecharterten Bus alle Ziele erreicht werden. Ein Etat wurde aufgestellt. Nach diesen Vorarbeiten half uns Olaf, der Hauptinitiator des Internet-Portals burgenwelt, weiter und ermöglichte die Suche nach Interessenten auf seiner Homepage. Schon bald meldeten sich Burgenfreunde per e-mail Der erste Interessent war Albert aus den Niederlanden. Damit wurde unsere Reise jetzt auch international. Im Januar waren wir dann komplett. Drei Burgenfreunde aus den Niederlanden und neun aus allen Teilen Deutschlands bildeten die Reisegruppe. Am Abreisetag, dem 26. September 2004, lernten sich alle auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld persönlich kennen. Das gemeinsame Hobby und die Erwartung der großen Erlebnisse stellten sofort ein schönes Gemeinsamkeitsgefühl her, das uns die ganze Tour über nicht verlassen sollte. |
Beladen unseres Busses am 1. Tag |
Der Flug verlief problemlos, und in Aleppo erwartete uns schon der Kleinbus, der uns nach Idlep zum Hotel brachte. Der Tourismusdirektor der Region, Herr Abu Hassan, stellte uns unseren Busfahrer Abu Dib vor, der uns die ganze Woche chauffieren sollte. Am Montag erwartete uns unser Fahrer früh im Hotel. Abu Dib betreibt ein kleines Ein-Mann-Transportunternehmen und besitzt einen klimatisierten Kleinbus. Es war seine erste Tour mit europäischen Touristen und sowohl er als auch wir mussten uns ein wenig aneinander gewöhnen.
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Der Gedanke, dass Europäer nach Syrien kommen und dort irgendwelche alten Mauern angucken, war ihm offensichtlich fremd. Als Problem stellte sich heraus, dass man in Syrien keine Landkarten benutzt. Man fährt halt die Strecken, die man kennt. Alle anderen Ziele werden erreicht, indem man nach Erreichen der Zielgegend die Einheimischen fragt. Die Landkarten, die uns zur Verfügung standen, wiesen große weiße Flecken auf. Außerdem gibt es auch Abweichungen in der Schreibweise und Aussprache der Orte. Unser erstes Besichtigungsziel war die Burg Bourzey. So nennt sie zumindest die Fachliteratur. |
Reisestart am 1. Tag |
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Schnell war die Besichtigungszeit verstrichen und es ging
weiter zur Johanniterburg Margat. Auch diese Burg lag auf einem einzeln
stehenden Berg und hatte riesige Ausmaße. Es führte eine schmale steile
Straße zur Burg. Wir merkten schon, dass unser kleiner Bus ganz schön zu
arbeiten hatte. Aber plötzlich war Schluss. Es ging nicht mehr. Der Weg war
zu steil. Alle mussten aussteigen und den Berg zu Fuß bezwingen. Zwei
lustige junge Männer sahen unser Malheur und kamen mit ihren Motorrädern den
Burgberg heruntergefahren. |
Ein Einheimischer fährt John auf die Burg Margat |
Jörg (1,90 Meter groß) in der Schießscharte des Donjons von Margat |
Sie luden einen nach dem anderen als Sozius auf und fuhren sie bis zum Burgplateau. Die Besichtigung der gewaltigen Burganlage dauerte einige Stunden. So konnten wir fast den Sonnenuntergang vom kleinen Restaurant aus beobachten, das sich nahe am Burgtor befand. Jetzt blieb uns nur noch die Fahrt ins Hotel nach Tartus. Nach zwölf Stunden Tourismus waren alle Mitfahrer sichtlich erschöpft. Trotzdem gab es noch einen Abendspaziergang durch Tartus, dem mittelalterlichen Tortosa.
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Am Dienstag standen zunächst zwei kleine Burgen auf dem Programm. Das Qalaat Yahmur (Qalaat = Burg) und in Safita das Chastel Blanc. Bei beiden handelt es sich um frühe fränkische Burgen, die von einem mächtigen Wohnturm, genannt Donjon, dominiert werden. Yahmur dient einem alten Syrer als Bauernhof. Er zeigte uns aber bereitwillig die alten Gemäuer. Handwerker waren gerade dabei, die alten Mauern und Gewölbe zu sichern. Das Chastel Blanc birgt in seinem ersten Obergeschoss eine christliche Kirche. Wir konnten zum zweiten Obergeschoss und zur Wehrplattform hochsteigen und die herrliche Aussicht genießen. |
Straßenbild in Safita |
Am Mittwoch stand eine Tour in die Wüste auf dem
Reiseplan. Zunächst wollten wir die Sonnenburg bei Schmemis besichtigen. Sie
liegt auf einem Vulkankegel und wurde um 1230 durch die Ajubiden errichtet.
Bis in halbe Höhe des Berges konnten wir fahren. Plötzlich ertönten Schüsse.
Wir stutzten. Eine Armeeeinheit machte gerade Schießübungen auf unsere Burg.
Ein freundlicher Offizier der syrischen Armee bedeutete uns, dass sie gleich
fertig wären. |
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Aufstieg zur Sonnenburg in Schmemis |
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Mittagessen in Tadmur |
Wie schon beim Krak des
Chevaliers haben die Einwohner das Geschäft mit dem Tourismus für sich
entdeckt. Wir waren sogleich umringt von Kindern und Erwachsenen, die uns
Souvenirs verkaufen wollten. Vorteil des Ganzen war die Tatsache, dass wir
auch eine Gaststätte zum Mittagessen fanden. |
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Syrische Soldaten hatten Ausgang nach Palmyra |
Leider stellte sich bei uns dieser Eindruck nicht ein. Im Nachhinein erfuhren wir, dass wir nach einem recht kühlen Jahr die Woche mit den höchsten Temperaturen für unsere Reise gewählt hatten. An diesem Tag waren 39 Grad Celsius im Schatten. Und Schatten gab es kaum. Recht geschafft trafen wir uns am Bus und fuhren nach Hama ins Hotel. Bei syrischem Bier und Wasserpfeife (mit Apfelgeschmack) verarbeiteten wir abends die Erlebnisse des Tages.
Der Donnerstag stand ganz im Zeichen der Assassinen. Die Burg des berühmten Alten vom Berge, Qalaat Masyaf, und die Assassinenburg Abu Qubais standen auf dem Programm. Zunächst fuhren wir aber zum Qalaat Shayzar. Im 12. Jahrhundert lebte auf dieser Burg das Geschlecht der Munqidh. Einer ihrer Vertreter, Usama Ibn Munqidh, war wohl ein rechter Haudegen. Er lieferte sich in der Zeit des 1. Kreuzzuges Scharmützel mit den Kreuzfahrern und anderen arabischen Herrschern. |
Im hohen Alter verfasste er dann ein Buch, in dem er über seine Heldentaten berichtete. Vielleicht muss man nicht alles buchstäblich glauben, was er schrieb, jedoch ist das Buch ein amüsant zu lesendes Zeitdokument. An der Burg beeindruckt der mächtige Südturm mit einem vorgelagerten phänomenalen Burggraben. Weiter ging es nach Masyaf. Die Burg war der Hauptsitz der Assassinen in Syrien. Sie hatten sie ab 1141 besetzt. Seit 1164 residierte der „Alte vom Berge", Sinan Raschid ad-Din hier. |
Eines der haushohen Wasserräder am Orontes in Hama |
Die Assassinen waren Anhänger der ismaelitischen Sekte des Islam. Sie wurden in Europa durch die Berichte Marco Polos bekannt. Als fanatisch Gläubige verübten sie eine Vielzahl von Morden an wichtigen Persönlichkeiten, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Es gelang ihnen, auf dem Gebirgszug des Djebel al Ansariyne ein durch Burgen geschütztes Territorium zu halten, wobei sie einmal den fränkischen Nachbarn und zum anderen Mal den arabischen Herrschern halfen. Es gilt heute als sicher, dass man ihnen auch eine Vielzahl von Morden anlastete, mit denen sie nichts zu tun hatten. |
Teetrinken in Masyaf |
Nach der Besichtigung der Festung wurden wir vom freundlichen Inhaber eines Souvenirladens zum Tee eingeladen. Sogleich hatten wir eine Traube von Schulkindern um uns, die ihre Englisch-Kenntnisse demonstrieren wollten. Sie zeigten uns ihre Schulhefte und wir bewunderten die schicken Schuluniformen. Bald mussten wir aber weiter zur nächsten Burg.Zur Qalaat Abu Qubais führte eine neue Asphaltstraße. Schulkinder in Uniform in Masyaf |
Orontestal bei Abu Qubeis |
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Er winkte uns zu folgen und lief mit seinen Badelatschen den kaum
erkennbaren Eselspfad zwischen Felsbrocken und Stachelgras steil hinauf. Der
Pfad war eine echte Herausforderung. Eine knappe Stunde ging es über Stock
und Stein bergauf, dann hatten wir ein Hochtal erreicht. Bis zur Burg waren
es jetzt noch zirka 50 Höhenmeter. Ein Zugang zur Burg war nicht zu
erkennen. Wir stiegen auf gut Glück hinauf und fanden schließlich den Weg
ins Innere.
Der Tankwart umrahmt den phänomenalen Preis von 12 ct pro Liter Diesel |
Römische Säulenkolonnaden in Apamea |
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Die Suks von Aleppo stellen eine Sehenswürdigkeit der besonderen Art dar. Insgesamt sind sie ein zwölf Kilometer langes Gewirr aus engen, meist überwölbten Straßen, in denen sich ein Geschäft an das andere reiht. Die Läden mit den gleichen Waren sind überwiegend in jeweils einer Straße konzentriert, so dass man ein Gewürz-Viertel, eine Textilienstraße, ein Aleppo, Große Moschee |
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Am Sonntag ging dann schon um halb sechs der Flieger nach Berlin zurück. Ich denke, dass alle sich einig waren, dass es eine sehr schöne Reise gewesen ist, die man jederzeit wiederholen kann. Es gibt auch noch genügend andere Burgen in Syrien, die man besichtigen könnte. Ihr Detlef Mewes |